2017.06 Frankreich Spanien Portugal Italien

Seite 1 – Seite 2 – Seite 3 – Seite 4Seite 5Seite 6

Das englische Paar mit Hang zum Dritten Reich

Ich spaziere in Sevilla Abends durch den Stadtteil Triana. Triana war ehemals eine Vor-Stadt von Sevilla und dort, so wird gesagt, wurde der Flamenco erfunden. Ab und zu kehre ich in eine dieser Tapas-Bars ein und trinke ein kleines Bier. Ein kleines Bier bedeutet hier 0.2l. Ideal um ein Glas zu trinken und eine der lokalen Köstlichkeiten zu probieren. Bei der Auswahl der Lokale achte ich eher darauf, dass keine Touristen sondern Einheimische in den Bars sitzen.

In einigen der Cervecerías wird per Kreide auf dem Tresen angeschrieben. Steht man direkt an der Bar, ist es nur der Preis des Getränkes, steht man an einem Tisch wird dies zusätzlich mit einem Viertelkreis gekennzeichnet. Bezahlt man seine Getränke und Essen, werden die Zahlen durchgestrichen oder weggewischt.

Es ist bereits nach 23 Uhr und weil ich am nächsten Tag fahren muss, mache ich mich auf den Rückweg zum Hostel. Trotz vorgerückter Zeit ist es noch sehr warm und es liegen noch gut eine halbe Stunde Fußweg vor mir. So entscheide ich mich noch ein letztes Gläschen zu mir zu nehmen.

Erneut handelt es sich um ein altes Lokal. Ich bestelle mir am Tresen ein Bier und sehe mich um. An den Wänden hängen alte Gegenstände und Fotos.

Neben mir steht ein Herr, schätzungsweise Mitte 50, in Shorts und kurzem Hemd, mit Panamahut auf dem Kopf. Er sieht mich an und sieht sich dann auch um. Ich fühle mich genötigt etwas zu sagen und merke an, dass es sich um ein nettes Lokal handelt. Wir kommen ins Gespräch. Als ich ihm erzähle, dass ich aus Österreich bin, wird er ganz euphorisch: „Ich liebe die Österreicher und die Deutschen!“ Er zupft an seinem Hemd und sagt: „Wenn du aus Österreich bist solltest du wissen, was ich da trage.“ Ich muss bedauern, dass ich es nicht weiß, da ich nicht jede Tracht aus jeder Region in Österreich kenne. Er trägt ein Hemd aus Kärnten.

Immer wieder sagt er mir: „Ich kann es nicht glauben, ein Österreicher.“ Zu Mittag hat er Deutsche getroffen und jetzt einen Österreicher. Amerikaner mag er nicht.

Er packt mich und schüttelt meine Hand. Er hat einen kräftigen Händedruck, dem ich natürlich entgegenhalte. „Oh, du hast aber einen starken Händedruck!“

Zwischendurch gesellt sich seine Frau zu uns, die immer wieder etwas herumstreift. Sie war weit .. sehr weit davon entfernt ein Schönheit zu sein, aber wer bin schon ich, um mir ein Urteil zu bilden. „Schau mal Schatz ein Österreicher.“

Immer wieder tupft er mich an Oberarmen und Oberkörper an. “ .. Und so gut gebaut … usw … und so schöne blaue Augen.“

Ich dachte bloß: „Auweia, was wird das jetzt? Laden mich die beiden jetzt zu einer schrägen Party in ihr Hotelzimmer ein?“

Er sagt, er muss mir unbedingt ein Bier zahlen und bedrängt mich so lange, bis ich endlich zustimme.

Im Laufe des weiteren Gesprächs, erwähnt er immer wieder mit Enthusiasmus, wie sehr er die Deutschen mag .. über ihre tolle Armee, dass es vier andere Armeen benötigt hat, um sie zu besiegen und wenn Deutschland wieder mal in den Krieg zieht, dann übersiedelt er und kämpft für Deutschland. Er beginn davon zu schwärmen, wie schön die Uniformen damals waren, mit ihren Emblemen am Revers.

Schön langsam hat mir gedämmert, warum er die Deutschen so gerne mochte und warum er meine blauen Augen so toll fand. Er und seine Frau hatten einen starken Hang zum dritten Reich.

„Also doch keine schräge Party im Hotelzimmer.“ 

Sie erzählen mir über ihre Wurzeln. Sie hat ihre Kindheit in Südafrika verbracht. Er ist ursprünglich aus Irland, aber im Stammbaum sind auch Italien und diverse osteuropäische Länder vertreten.

Ich so in meinen Gedanken: „Für den Arier Ausweis wird es wohl nicht reichen, dafür hast du zu viel gemischtes Blut in dir.“

Seine Frau hängt ihm verträumt an der Schulter und sie erzählen mir lachend, als sie vor wenigen Jahren in Wien waren, wie lustig das nicht war, als sie gleichgesinnte Personen getroffen haben und als er es partout nicht geschafft hat den Hitlergruß korrekt durchzuführen. Nicht mal als er die Stiefel angezogen hat.

Mit großen Augen sehe ich ihn an, als er mitten im Lokal seinen rechten Arm immer wieder halb anhebt und dabei seine Fersen zusammenschlägt.

Ich blicke durch den Raum, ob uns wer zusieht. Der Kellner tut so als hätte er nichts gesehen und dreht uns den Rücken zu.

„Ach du Scheiße! Jetzt wird’s dann Zeit zu gehen.“ Ich höre noch ein paar Minuten zu während ich mein Glas leere, sage, ich muß jetzt los weil ich morgen eine weite Strecke vor mir habe. Er hält mich fest und will mich gar nicht gehen lassen. Seine Frau kann ihn nur mit Mühe von mir losreißen. Ich bedanke mich fürs Bier, wünsche eine gute Weiterreise und verlasse schnell das Lokal.

Seite 1 – Seite 2 – Seite 3 – Seite 4Seite 5Seite 6